Geisha's Dream

Das Gesicht weiß geschminkt und die Lippen blutrot, eingehüllt in einen Seidenkimono und auf dem Kopf die traditionelle Frisur: jede Bewegung ist präzise, kontrolliert und offenbar jahrelang eingeübt worden. Selbst wenn die Geisha nur Tee in eine Tasse ausschenkt, so ist das Ergebnis ein Höhepunkt an Grazie und Anmut. Alles wirkt perfekt und harmonisch, und ist zudem von kunstvoll verborgener Erotik durchdrungen – jedenfalls ist das die Wirkung auf den Japaner.

Der Begriff »Geisha« ist weltbekannt geworden. Viele Bücher und Filme drehen sich um das Thema Liebe und die Tätigkeiten der Geishas in der traditionellen japanischen Kunst, und vermitteln so einen exotischen und romantischen Eindruck positiver Art. Dadurch ist das Bild der Geisha in der westlichen Welt natürlich auch entsprechend verzerrt.

Die Geishas existieren immer noch in Japan, aber heutzutage sind sie Bewahrerinnen der traditionellen Künste und haben nichts mit der japanischen Sexindustrie zu tun. Aber in der  Blütezeit der Geishas im 18. und 19. Jahrhundert gab es keine so scharfe Trennlinie zwischen der Geisha, die rein von ihrer Kunst lebt, und einer Prostituierten, die sexuelle Dienstleistungen bietet. Denn Prostituierte in Japan boten damals auch künstlerische Unterhaltung. Zu dieser Zeit war der Japaner – im Gegensatz zum christlichen Europa – noch sehr offen, was Nacktheit und sexuelle Aspekte anging. Allein daher war für eine Geisha Sexualität kein Tabu.

Traum und Lebensziel der Geisha war es, einen »Danna« zu finden. Der »Danna« war ein Patron, der die Geisha finanziell unterstützte. Denn er zahlte ihre Unterhaltskosten, ihre kostbaren Kimonos und ihren Schmuck, und kümmerte sich um ihren ganzen Lebensunterhalt. Natürlich durfte er dafür auch entsprechende »Gegenleistungen« erwarten, so wie dies in Europa von einer Mätresse erwartet werden konnte.

Der »Danna« hatte meistens eine eigene Familie, aber seine zusätzliche Beziehung zu einer Geisha musste von ihm keineswegs geheim gehalten werden: Für den »Danna« war seine Geisha ein Statussymbol. (Limousinen und Yachten gab es ja noch nicht.)

Heute ist die Geisha eine reine Künstlerin, aber Erotik spielt bei der Unterhaltung der Gäste immer noch eine gewisse (und wichtige) Rolle.

Und aus diesen Gründen ist es nicht so, daß eine Japanerin in einem Kimono automatisch eine Geisha ist, ebenso wenig wie ein Mann mit Hut ein Cowboy sein muß, oder ein Mann mit langen Haaren automatisch ein Transvestit ist. Das würde schließlich weder Heinz Becker, noch Peter Maffay gerecht!

Vor einiger Zeit wurde ich von einer saarländischen Unternehmerin gebeten, eine Kochshow mit Sushi und Teezeremonie in ihrem Betrieb zu veranstalten. Dabei wurde ich von ihr gefragt, ob ich diese Show dort auch als Geisha präsentieren könne? Natürlich mußte ich das ablehnen, denn ich bin genauso wenig eine kochende Geisha, wie ich ein kochlöffelschwingendes Callgirl bin. Dennoch habe ich mich sehr bemüht, durch diese offenbare Unwissenheit nicht allzu beleidigt zu sein. Also habe ich höflich geantwortet, daß ich nur einen Kochservice anbieten könne, aber keinen Begleitservice.

Sie war enttäuscht. Und immer noch ahnungslos…

mm|jah